Im Land der Bären

Vor allem die herausragenden Naturerlebnisse sind es, die einen Alaska-Besuch so interessant machen. Gletscher, Seen, Berge und Fjorde auf der einen und die reichhaltige Tierwelt auf der anderen Seite haben unvergeßliche Eindrücke hinterlassen.




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Nichts wie weg

Wir kommen nachts in Anchorage an. Von der größten Stadt Alaskas wird behauptet, das schönste an ihr sei ihre Umgebung. Am nächsten morgen können wir das nur bestätigen: endlose, rechtwinklig verlaufende Strassen mit Fastfood-Restaurants, Tankstellen und Einkaufszentren. Kurios sind die Flughäfen mitten in der Stadt. Ob auf einer normalen Landebahn oder dem nächstgelegenen See, scheinbar überall landen die kleinen Maschinen. Alaska ist Buschflieger-Land und deshalb gibt es hier mehr als sechsmal so viele Piloten wie in den restlichen Staaten der USA. Bevor wir der 300.000-Menschen-Stadt den Rücken kehren können, müssen wir allerdings noch das Motorrad, das zuvor per Flugzeug verschickt wurde, zusammenbauen. Als es endlich losgehen kann, machen wir uns zum Auftakt der Reise in Richtung Kenai auf. Die südlich von Anchorage gelegene Halbinsel bietet auf engstem Raum viel Abwechslung in Sachen Landschaftsformen: dichte Wälder im Norden, weitläufige Seenplatten im Zentrum und im Süden schließlich die Fjordlandschaft mit ihren sich bis in das Meer erstreckenden Gletschern. Auf Kenai ist die touristische Infrastruktur nicht so dünn wie in den nördlichen Regionen des Landes. Leider ist deswegen zur Hauptreisezeit zwischen Juni und September der Verkehr auf den Strassen dicht und die Kette von dahinrollenden Wohnmobilen scheint mancherorts gar nicht enden zu wollen. Unser erstes Etappenziel heißt Seward an der Resurrection Bay. Hier kann man Erkundungstouren per Boot unternehmen, um sich die reichhaltig vorhandenen Meeresbewohner anzusehen. Seelöwen, Seeotter, viele verschiedene Arten von Seevögeln und mit etwas Glück auch Wale gibt es hier zu bestaunen. Eine weitere Möglichkeit ist der Besuch des Exit-Glacier, einem Ausläufer des riesigen Harding-Eisfeldes. Dieser Gletscher ist einer der bestzugänglichen in ganz Alaska, denn nach nur wenigen Minuten zu Fuß steht man vor dem gigantischen Koloss aus Eis. Wer Lust hat kann sogar versuchen, einige Schritte auf den glatten Eisriesen zu wagen, für weitergehende Erkundungen sollte man sich allerdings einer geführten Tour anschließen. In Seward befindet sich auch das „Alaska Sealife-Center". Hier bekommt man interessante Informationen über das direkt vor der Tür befindliche ozeanische Leben. Die meiste Zeit verbringen wir vor der riesigen Glasscheibe durch die man einen Blick in eines der Aquarien werfen kann. Immer wieder tauchen die Seevögel in das Wasser, um sich ihre Nahrung zu fischen. Die putzigsten Akteure dieses Schauspiels sind die Papageientaucher oder auch Puffins, wie sie hier genannt werden. Mit ihren bunten Schnäbeln und ihrer markanten Gefiederzeichnung am Kopf schauen sie scheinbar verträumt in der Gegend herum - und plötzlich geht es dann abwärts zum nächsten Tauchgang. Im Meer bewegen sich die kleinen Vögel dabei flink wie Fische und erreichen beachtliche Tiefen von bis zu 60 Metern! Die Fahrt geht weiter nach Süden in Richtung Homer, dem touristischen Zentrum der Kenai-Halbinsel. Während der Fahrt entlang des Cook-Inlet kann man bei gutem Wetter über die Bucht schauen. Wir haben Glück und sehen auf der gegenüberliegenden Seite einen Teil der Alaska Range, ein insgesamt etwa tausend Kilometer langes Gebirge. Der höchste Berg dieses Massivs, der Mt. McKinley, ist mit seinen 6.194 Metern auch gleichzeitig der mächtigste Gipfel in ganz Nordamerika. Auf der Kenai-Halbinsel wird einem schnell bewusst, dass Alaska nicht immer amerikanisch war. Allerorts zeugen Ortsnamen wie Kasilof, Kalifonsky oder Nikiski von den ersten Siedlern auf dem Eiland. Erst als Alaska im Jahr 1867 für 7,2 Millionen Dollar von Rußland an Amerika verkauft wird, nimmt der Einfluss der Amerikaner zu. In Ninilchik ist eine russisch-orthodoxe Kirche zu besichtigen und hin und wieder kann man Menschen in russischer Tracht auf der Strasse antreffen. In Homer angekommen besuchen wir zuerst die Landzunge Homer Spit. Hier reihen sich Andenken- und Ausflugsbuden aneinander. Aufgrund der großen Parkplätze, könnte man fast meinen, man wäre auf einem Gebrauchtwagenmarkt gelandet. In den Geschäften wird alles geboten, was interessant und teuer ist: Hochseeangeln mit der Aussicht auf über 100 kg schwere Heilbut-Prachtexemplare oder aber ein mehrtägiger Ausflug zu den mächtigen, lachsfischenden Grizzlybären am McNeill River. Bären sind während eines Alaska Aufenthaltes allgegenwärtig. Es besteht nicht nur permanent die Möglichkeit, einem der ca. 40.000 Braunbären oder aber einem der über 50.000 Schwarzbären zu begegnen - nein, sogar auf der Fahne des größten US-Bundesstaates befindet sich ein Bär: in Form des Sternzeichens des großen Bären, hierzulande besser als großer Wagen bekannt. Beim Verlassen der Halbinsel bestehen zwei Möglichkeiten die Fahrt fortzusetzen. Zum einen der Weg zurück nach Anchorage und zum anderen die Fährverbindung durch den Prince William Sound von Witthier nach Valdez. Wählt man den letzeren Weg, kann man bei guter Sicht die in das Meer kalbenden Gletscher bewundern. Wir allerdings bevorzugen den Landweg und fahren über die Stadt Palmer in den Wrangell - St. Elias Nationalpark. Die Strasse führt vorbei am begehbaren Matanuska-Gletscher und nach einiger Zeit lassen sich in der Ferne schemenhaft die schneebedeckten Vulkane der Wrangell Mountains ausmachen. Auf dem Weg halten wir auf einer Farm, auf der Moschusochsen gezüchtet werden. Diese buschigen Tiere sind mit ihrem dichten Fell für Temperaturen weit unter dem Gefrierpunkt gerüstet. Da es allerdings heute mit über 20°C recht warm ist, liegen die Urtiere lediglich schwer atmend im Gras herum. Den imposanten Anblick eines schmetternden Kopf-an-Kopf-Duells zweier Ochsen erleben wir daher leider nicht.















Die McCarthy Road

Um in die verfallene Minenstadt Kennicott zu gelangen, muss man über die mit Schotter zugeschüttete, ehemalige Eisenbahntrasse bis nach McCarthy fahren. In Chitina informieren wir uns in der Ranger-Station über den Zustand der Strasse und erfahren, dass es aufgrund von Nägeln der alten Bahnbohlen, Schlaglöchern und feuchten Passagen nicht ganz ungefährlich sein soll, die 100 km bis nach McCarthy zu absolvieren. Wir versuchen es trotzdem und müssen feststellen, dass die Warnungen etwas übertrieben waren. Die Etappe verläuft ohne Probleme. Entlang des Weges bieten sich immer wieder faszinierende Blicke auf die fast 5.000 m hohen Vulkane der Wrangell-Mountains. Einer von ihnen, Mt. Wrangell, ist noch aktiv und manchmal steigt über ihm eine Rauchsäule auf, die dieses bezeugt. Am Ende der Strasse befindet sich ein einfach ausgestatteter Campingplatz auf dem wir unser Zelt aufbauen. Am nächsten Tag machen wir uns auf nach Kennicott. Die Geisterstadt ist nur zu Fuß bzw. mit einem Shuttle-Bus zu erreichen, da über den reißenden Kennicott-River nur eine Fußgängerbrücke führt. Bis vor einigen Jahren war hier noch die waghalsige Überquerung des Gletscherflusses mit einer handbetriebenen Seilbahn erforderlich. 1997 wurde sie abgebaut und so ist dieses Abenteuer heute leider nicht mehr zu erleben. In Kennicott wurde seit der Jahrhundertwende Kupfer abgebaut. Im Jahr 1938 schlossen die Betreiber die Mine von einem auf den anderen Tag. Die Stadt wurde scheinbar blitzartig verlassen, denn allerorts liegen noch diverse Arbeitsmittel in und neben den verfallenen Gebäuden. Heute leben wieder einige Menschen in Kennicott, allerdings nicht mehr vom Bergbau, sondern vor allem vom Tourismus. Man kann hier Führungen durch die alten Minengebäude mitmachen, Wanderungen durchführen oder einfach nur die prächtigen Ausblicke auf Mt. Blackburn mit seinen 4.996 Metern, den Kennicott- sowie den Root-Gletscher genießen. Am nördlichen Rand des Wrangell - St. Elias Nationalparks besteht über die etwa 70 Kilometer lange Nabesna Road eine weitere Möglichkeit, den Park mit dem Fahrzeug zu erkunden. Hier müssen wir das einzige mal Flüsse durchqueren. Da es in den letzten Tagen wenig geregnet hat, ist der Wasserstand nicht hoch und die Furt daher unproblematisch. Insgesamt haben wir anscheinend ausgesprochenes Glück: während der gesamten Reise müssen wir lediglich zwei mal die Regenkleidung auspacken. Das Wetter spielt bei einem Alaskaurlaub häufig nicht so optimal mit: es kann auch während der Sommermonate passieren, dass sich die Wolken für mehrere Wochen nicht lichten wollen und die Tagestemperaturen unter 10°C liegen. Neben ungemütlichem Wetter gibt es während des Sommers noch eine weitere Unannehmlichkeit: „moskitos", „black flies" oder „no-see-ums" - wie auch immer sie heißen, die kleinen stechenden Insekten sind eine rechte Plage. Sehr empfehlenswert ist daher die Benutzung eines Insektenmittels oder aber der direkte Schutz des Kopfes durch ein Mückennetz. Nach dem Verlassen des Nationalparks sichten wir direkt am Highway unseren ersten Elch. Friedlich steht die riesige Elchkuh in einem See und grast unbeirrt von den fotografierenden Touristen den Grund des Gewässers ab.










Durch Kanadas Yukon

Will man die südlichen Fjordlandschaften im sogenannten Panhandle Alaskas mit dem Motorrad erreichen, muss man durch Kanada fahren. Eine Verbindung entlang des schmalen Küstenstreifens besteht nicht, da dieser durchgehend von Gletschern bedeckt ist. Wir fahren in Tetlin Junction auf den Taylor Highway, der später in den „Top of the World Highway" übergeht. Aber erst nach der kanadischen Grenze wird die Strasse ihrem wohlklingenden Namen gerecht: es ist kalt und der Wind bläst stark über die kahlen Berge. Die Schotterpiste bahnt sich ihren Weg von Höhenzug zu Höhenzug, so dass man permanent die überragende Fernsicht genießen kann. Am Abend kommen wir in Dawson City an. Die Einwohnerzahl dieser Boomtown lag 1896 bei circa 500. Ein gutes Jahr später lebten dort bereits 30.000 Menschen - alle des Goldes wegen. Die umliegenden Täler wurden binnen kürzester Zeit umgegraben. Angespornt durch die Meldungen über weitere Goldfunde in Nome, dem Klondike, Fairbanks usw. zogen die Goldbesessenen bereits 1899 weiter, um erneut ihr Glück zu versuchen. Die große Zeit von Dawson City war vorbei. Die hölzernen Saloons, Hotels und Theater aus der damaligen Zeit vermitteln noch heute ein Gefühl davon, wie turbulent es damals auf der 2nd und 3rd Avenue zugegangen sein muss. Die Goldsucher haben in der Landschaft starke Narben hinterlassen: die Schwimmbagger, sogenannte „Dredges" haben die umgegrabene Erde ausgespuckt und in riesigen Schutt- und Gesteinsfeldern abgelagert. Wir trauen unseren Augen kaum als wir in einem Fluss einen kauzigen Mann in gebückter Haltung beim Goldwaschen entdecken. Anscheinend haben die Maschinen damals doch noch einige Körner des edlen Metalls übrig gelassen. Entgegen der Fliessrichtung des mächtigen Yukon River führt uns unser Weg weiter in Richtung Süden. Endlos verläuft die Strasse durch karge Wälder. Nur kurz tun sich kleine Lücken rechts und links des Highways auf, die die Sicht auf die umliegende Landschaft freigeben. Erst ab den „Five Finger Rapids", den berüchtigten Stromschnellen im Yukon River, wird die Landschaft etwas hügeliger und man kann die Sicht auf die herrlich in der Sonne leuchtenden Seen voll genießen. Während der Fahrt sehen wir immer wieder ganze Landstriche verbrannten Waldes. Die meist im Frühjahr durch Blitze ausgelösten Waldfeuer haben eine verheerende Wirkung: wie verkohlte Streichhölzer stehen die toten Bäume in der Landschaft - so weit das Auge reicht. Allerdings ist dies ein natürlicher Regenerationsprozess der Wälder und bereits einige Jahre nach einem solchen Inferno sind die Auswirkungen des Feuers kaum noch zu sehen. Mittags stärken wir uns heute mit der wahrscheinlich größten Zimtrolle der Welt. Die an der Strasse gelegene „Braeburn Lodge" bietet das hausgemachte Gebäck an. Einige der feilgebotenen Exemplare sind beinahe so groß wie ein Fußball. Unser Tagesziel sind die nördlich von Whitehorse gelegenen Takhini Hot Springs. Dort gönnen wir uns ein entspannendes Bad im von Erdwärme erhitzen, 36°C warmen Wasser. Nach der langen und kalten Fahrt tut diese Wärmezufuhr dem Körper wirklich gut. Whitehorse, die Hauptstadt des kanadischen Yukon Territory, fahren wir am nächsten Tag an. Leider ist diese Stadt wie auch viele andere Orte auf amerikanischer Seite keine Schönheit. Das fällt vor allem ins Auge, da in unmittelbarer Umgebung der Städte meist überwältigende Natur auf den Besucher wartet. Wir schauen nur kurz beim Visitor-Center vorbei, sehen uns den trockengelegten Raddampfer „SS Klondike" an und verabschieden uns wieder in Richtung Alaska. Vorbei am Emerald Lake, dem blaugrün schimmernden „Regenbogensee" sowie der kleinsten Wüste der Welt in der Nähe des Ortes Carcross (von Caribou-Crossing). Diese Wüste entstand durch die permanenten starken Winde, die auf dem sandigen Grund kaum Vegetation zulassen. Wir bekommen diese Winde auch prompt zu spüren als wir weiter fahren und wundern uns nicht, dass einer der Seitenarme des Tagish Lake „Windy Arm" heißt.









Eisiges Fjordland

Mit Ausnahme von Skagway und Haines lassen sich die Orte in der südlichen Fjordlandschaft nur per Flugzeug oder mit der Fähre erreichen. Auch Juneau, die Hauptstadt Alaskas, ist derart „isoliert". Aufgrund der stark zerklüfteten Ufer besitzt Alaska eine Küstenlinie von unglaublichen 54.500 km. Als wir in Skagway ankommen erwartet uns ein buntes Treiben: Kreuzfahrtschiffe spucken abertausende von Reisenden aus. Im Schnelldurchlauf werden die Sehenswürdigkeiten der Hafenstadt erstürmt, schnell ein paar Andenken aus einem der vielen Giftshops erstanden und zurück geht es auf die Ozeanriesen. Skagway ist deshalb ein derartiger Anziehungspunkt, da von hier aus damals die Eroberung der Goldschürfgebiete begann. Der Einstieg in den legendären Chilkoot-Trail befindet sich nur ein wenig außerhalb des Ortes. Etwa hunderttausend Menschen versuchten ihr Glück, die vielversprechenden Gebiete im Norden zu Fuß und mit Hilfe von Pferden zu erreichen. Von den Abenteuerlustigen kam allerdings nur ein Viertel am Ziel an. Die Restlichen fanden in der winterlichen Kälte Alaskas ihren Meister. Als die Eisenbahn der „White Pass & Yukon Route" ihren Betrieb aufnahm, war es vorbei mit der Blütezeit der Orte, denn die Erklimmung des White Passes war nun kein Problem mehr. Noch heute sind die historischen Waggons der Eisenbahn in Betrieb. Sie werden allerdings nur noch dazu genutzt, die zahlreichen Besucher den steilen Anstieg hinauf zu befördern. Die Fähre, die uns zum nur etwa 13 Meilen (21 km) entfernten Haines übersetzen soll, verpassen wir knapp. Über den Landweg beträgt die Entfernung zwischen den beiden Orten 578 km. Wir verschwenden daher keinen Gedanken daran, diese Strecke zu fahren und verbringen den restlichen Tag sowie die Nacht in Skagway. Am nächsten Nachmittag kann es dann weitergehen. Die Fähre, die uns übersetzt trägt den Namen des riesigen Gletschers Malaspina und bei ruhiger See und herrlichem Sonnenschein überqueren wir den Lynn Canal. Nördlich von Haines führt die Strasse entlang des mächtigen Chilkat-River. Im Herbst versammeln sich hier viele hundert Weißkopfseeadler, um Fische zu fangen. Obwohl wir jahreszeitlich etwas früh dran sind, haben wir Glück und können durch unser Fernglas einem dieser imposanten Vögel bei seinem Treiben zusehen. Wenn man diese stolzen Tiere majestätisch durch die Luft gleiten sieht, dann versteht man, wieso die Amerikaner gerade dieses Tier zum Wappentier der USA gewählt haben. Auf dem weiteren Weg fällt es schwer, die Kamera während des Motorradfahrens aus der Hand zu legen. Zu gerne möchte man all die spektakulären Ansichten auf die Berge, Seen und Gletscher für immer festhalten. Das zu schaffen ist allerdings beinahe unmöglich, es sei denn, man hat zufällig eine 360°-Panoramakamera zur Hand. Zum Ende der heutigen Etappe steuern wir in Haines Junction das letzte mal einen Campingplatz auf kanadischem Boden an. Das abendliche Lagerfeuer ist auf den Campingplätzen obligatorisch. Jeder Stellplatz besitzt einen Grill und den dazugehörigen Picknicktisch. Die Preise für die Campgrounds sind allerdings in Anbetracht der kargen Ausstattung manchmal recht überzogen. Auch ansonsten ist Alaska kein billiges Reiseland. So kann man in einem Supermarkt durchaus ein Pfund Möhren für vier Dollar bestaunen. Das einzige was hier im Norden preiswert ist, ist das Benzin - leider wird man davon nicht satt.








Im Kluane Nationalpark

Von Haines Junction aus, so der Reiseführer, gibt es die Möglichkeit, interessante Wanderungen im angrenzenden Kluane Nationalpark zu unternehmen. Im Visitor Center wird uns leider mitgeteilt, dass die Gebiete für die wir uns interessiert hatten wegen zu hoher „Bärendichte" für Wanderer gesperrt sind. Da wir allerdings unbedingt dieses größte zusammenhängende Eisgebiet außerhalb der Polarregionen sehen möchten, entschließen wir uns, mit einer Chartermaschine einen Rundflug über dieses Gletschergebiet zu machen. Was wir während der folgenden eineinhalb Stunden zu sehen bekommen, lässt sich in Worten kaum beschreiben. Kurz nach dem Abheben kann man in der Ferne den riesigen Kluane Lake ausmachen. Die Maschine windet sich am Rand der Saint Elias Mountains langsam in die Höhe. Das Tal unter uns schimmert in sattem grün. Der Pilot teilt uns mit, dass wir uns momentan über einem der bärenreichsten Gebiete Kanadas befinden. Da ist es beruhigend, so hoch über dem Boden zu schweben. Langsam schwindet die Farbe, der Boden wird grau bis schwarz, denn wir erreichen die Endmoränen des Kaskawulsh-Gletschers, einem der größten Gletscher des Kluane Nationalparks. Die Cessna gleitet weiter entlang der geschwungenen Gerölllinien auf dem Gletscher. Vor uns tun sich die gigantischen Vier- Fünf- und Sechstausender der Gebirgskette auf. Die Abendsonne leuchtet auf dem ewigen Eis und über die Kopfhörer sind klangvolle Namen wie Mt. Logan (6.050 m), Mt. Lucania (5.226 m) sowie King Peak (5.173 m) zu vernehmen. In der Ferne lässt sich der Golf von Alaska erahnen. Langsam geht der Flug zu Ende, der Pilot dreht noch eine Ehrenrunde über unserem Campingplatz und setzt schlussendlich sicher auf der Schotterpiste des örtlichen Flugplatzes auf - was für ein Erlebnis!



Valdez und die Pipeline

Wir fahren wieder auf dem „Alcan", dem „Alaska-Kanada Highway", und kommen erneut an den Wrangell-Mountains vorbei. Die Sicht auf die Berge ist noch besser als beim ersten Mal. Auf einem der Aussichtspunkte an der Strasse genießen wir den Blick auf die im Abendlicht scheinbar glühenden Eismassen auf den Berggipfeln. Da wir noch etwas Zeit haben, machen wir einen Abstecher nach Valdez. Eine Entscheidung, die wir nicht bereuen - nicht etwa wegen der Stadt am Ende des Weges, sondern wegen der wunderbaren Strecke, die über den Thompson-Pass nach Valdez führt. Die alpine Landschaft ist schroff, in den höheren Lagen gibt es immer wieder Schneefelder, die ihr Schmelzwasser über einen der vielen Wasserfälle zu Tal befördern. Kurz vor der Passhöhe steht ein Besuch beim heutigen Gletscher des Tages an. Der „Worthington-Glacier" ist sehr gut zugänglich, da der Parkplatz nur wenige Meter vom Eis entfernt ist. Wenn man den Namen des Ortes Valdez hört, bringt man ihn automatisch mit einem der dunkelsten Kapitel in der Geschichte Alaskas in Zusammenhang: 1989 havarierte der Megatanker „Exxon Valdez" kurz vor dem Einlaufen in die Hafenstadt. Ziel war eigentlich das Öl-Terminal in Valdez. Dies ist die letzte Station, die der schwarze Bodenschatz nach seinem fast 1.300 km langen Weg erreicht. Gefördert wird das Öl in der Prudhoe Bay ganz im Norden Alaskas. Mit Hilfe von 12 Pumpstationen wird die Flüssigkeit über die immense Entfernung transportiert. Die „Exxon Valdez" verseuchte bei diesem Unglück 2.000 Kilometer der Südküste Alaskas und viele tausend Tiere verendeten qualvoll. Mehr als zehn Jahre hatte die Natur Zeit, sich von den 40 Mio. Litern ausgelaufenen Rohöls zu erholen, doch der Zustand normalisiert sich nur langsam wieder. Valdez ist trotz allem Touristenstadt und die Campingplätze sind vollgestellt mit Wagenburgen aus sogenannten RVs (Recreation Vehicles). Es fällt schwer diese Fahrzeuge einfach als Wohnmobile zu bezeichnen, da sie manchmal eher die Ausmaße fahrbarer Häuser besitzen. Oft hängt an der Anhängerkupplung dieser mit allem Komfort ausgestatteten Fahrzeuge noch ein allradgetriebener Jeep - man muss ja schließlich mobil sein. Im Ort bieten verschiedene Anbieter die Möglichkeit, Kajak-Touren durch die Gletscherbuchten des Prince William Sound zu unternehmen. Dies ist wahrscheinlich die beste Gelegenheit direkten Kontakt mit den gewaltigen, in den Pazifik kalbenden Gletschern aufzunehmen. Geradezu winzig sehen die Paddler aus, wenn sie sich neben einem der gefrorenen Giganten befinden. Auf dem Rückweg aus Valdez halten wir an einem Laichgebiet von Lachsen an. Die Fische drängen sich so dicht im Fluss, dass fast kein Platz mehr im Wasser ist. Wenn die Lachse nach einigen Jahren im offenen Meer wieder an den Ort ihrer Geburt zurückkehren, ist ihr einziges Ziel, sich fortzupflanzen. Wenn die Eier abgelegt bzw. befruchtet sind sterben die Tiere und der Kreislauf kann von neuem beginnen.







Wilde Tiere im Denali Nationalpark

„Denali" - so hieß der mächtige Berg im Zentrum der Alaska Range bis er Anfang des Jahrhunderts in Mt. McKinley umbenannt wurde. „Denali" war der Name, den die Athabasken-Indianer ihm gegeben hatten. Es bedeutet soviel wie „Der Grosse" oder „Der Hohe". Treffender kann man den Granitkoloss wohl nicht benennen. Die Bemühungen, den Berg wieder umzubenennen, scheiterten am Veto republikanischer Politiker aus den „Lower 48", wie die Einwohner Alaskas die südlichen Bundesstaaten der USA nennen. Der Grund für den Einspruch: Namenspate für den Berg, William McKinley, war von 1897 bis 1901 amerikanischer Präsident und - man ahnt es - Republikaner. Der im Jahr 1917 gegründete Nationalpark allerdings wurde 1980 wieder in „Denali National Park" umbenannt. Wir wollen den Denali-Park über den gleichnamigen Highway ansteuern. Bis wir auf diese Strasse einbiegen können, müssen wir mehrfach durch lange Baustellenabschnitte fahren. Mit riesigen Baggern und Radladern werden die Highways erweitert und die Schäden des letzten Winters ausgebessert. Die Strassen leiden unter den Einflüssen des Klimas. In den kalten Wintern friert der Boden durch. Wenn die Luft dann im Sommer Temperaturen bis zu 30°C erreicht, schmelzen die oberen Schichten des Permafrostbodens und der Asphalt wird unterspült. Der Herbst naht und sowohl die Wälder als auch die Tundra beginnen, sich mit leuchtendem rot und gelb zu schmücken. Beim Anblick dieses wundervollen landschaftlichen Panoramas auf dem Denali Highway macht das Dahingleiten auf der Schotterpiste doppelt so viel Spaß. Es wird immer wieder behauptet, die Strasse bestehe aus fast 200 Kilometern hirnerweichenden Waschbrettbelags. Außer einigen Schlaglöchern können wir dem Highway allerdings einen guten Zustand bescheinigen. Das liegt aber eventuell daran, dass wir nicht mit einem trägen Wohnmobil unterwegs sind, sondern mit einer Enduro, die sich am besten fahren lässt, wenn man geteerte Strassen verlässt. Da es bewölkt ist versteckt sich Mt. McKinley hinter Wolken. Ein Zustand der mehr als zwei Drittel des Jahres anhält. Erst als wir später im Nationalpark unterwegs sind, haben wir das Glück den Berg in seiner ganzen Pracht bewundern zu dürfen. Da die umliegenden Berge nicht sehr hoch sind, kann man von seinen 6.194 Metern Gesamthöhe etwa 5.500 Meter am Stück sehen und der leuchtende, schneebedeckte Gipfel blendet uns regelrecht. Mit Temperaturen von weniger als -40°C ist Mt. McKinley der kälteste Gipfel der Erde. Die Erstbesteigung des Kolosses gelang im Jahr 1913 und auch heute noch ist das Erklimmen des Berges ein gefährliches Unterfangen, da plötzlich auftretende starke Winde die Expeditionen gefährden können. Aufgrund der wundervollen Farbenpracht der Berge und der Tundragebiete ist Wandern eine besonders beliebte Freizeitbeschäftigung im Denali-Nationalpark. Das Gebiet ist in circa 40 große Sektoren eingeteilt, für die jeweils nur zwei bis drei Wanderer pro Tag eine Zugangsberechtigung erhalten. Man hat daher das einmalige Vergnügen, die vielen wilden Tiere und die einzigartige Landschaft ganz für sich alleine in vollen Zügen genießen zu können. Es ist dabei allerdings wichtig, einige Verhaltensregeln zu beachten, um unerwünschte Bärenkontakte zu vermeiden. Dazu gehört z. B., sich geräuschvoll bemerkbar zu machen, um die kräftigen Tiere nicht zu überraschen. Außerdem sollte man extrem achtsam mit Lebensmitteln umgehen. Die Grizzlybären sind im kurzen Sommer Alaskas 20 von 24 Stunden mit der Nahrungsaufnahme beschäftigt, um sich für den kommenden Winter ausreichende Fettreserven anzulegen. Wenn man sein Essen im eigenen Zelt aufbewahrt, könnte es die Bären anlocken. Wir packen unsere Verpflegung deshalb in eine bärensichere Box und lagern diese 100 Meter entfernt von unserem Nachtlager. Am folgenden Tag können wir in der Ferne beobachten, wie ein Wolfsrudel einem Karibu nachstellt. Immer wieder greift einer der Wölfe an, um das Opfer zu schwächen. Wir erfahren später, dass der Überlebenskampf des Tieres drei Tage gedauert hat, bis es schließlich ein Teil der Nahrungskette wurde. In Alaska gibt es mit 600.000 Exemplaren etwa so viele Karibus wie Einwohner. Die Population des mit dem europäischen Rentier verwandten Paarhufers wurde also durch diesen Beutezug nicht zu stark geschwächt. Außerdem sind einige Wölfe satt geworden und die Gefahr von Übergriffen auf Menschen wurde verringert wurde. Mit einem der ehemaligen Schulbusse verlassen wir den Nationalpark einige Tage später wieder. Auf dem Weg haben wir ein weiteres Mal Glück und sehen erneut viele der im Park lebenden Tierarten: Füchse, Adler, Schneehühner, Kojoten, Elche und schließlich abermals die beeindruckenden Grizzly-Bären. Es geht zurück in die „Zivilisation" und binnen weniger Minuten wecken uns die Insassen des Busses aus unserem „Wilderness-Traum": sobald ein wildes Tier gesichtet wird, verhalten sich einige Passagiere geradezu hysterisch, schreien laut „Stopp" und richten wie in Panik ihre Teleobjektive auf das Tier - man könnte beinahe denken ihr Leben hänge vom erfolgreichen Ablichten der Tiere ab. Wir denken an unsere aufregenden Bärensichtungen ohne die schützende Hülle des Tourbusses und lehnen uns entspannt zurück, denn das Verhalten der anderen Touristen können wir beim besten Willen nicht nachvollziehen.













Über den Hatcher-Pass zurück nach Anchorage

Unsere letzte Etappe führt uns zurück zum Ausgangspunkt der Reise. Von Anchorage aus müssen nicht nur wir, sondern auch das Motorrad die Heimreise antreten. Auf dem Weg stoßen wir beinahe noch mit einer Elchkuh zusammen, die erschrocken aufschaut, als wir plötzlich neben ihr auf der Strasse auftauchen. Ausgewachsene Elchkühe können über sechshundert Kilogramm schwer werden und die Bullen erreichen sogar ein Gewicht von mehr als achthundert Kilogramm. Zum Glück rettet sich das gewichtige Tier in die Büsche am Straßenrand, so dass es nicht zur Kollision kommt. Im Hostel in Anchorage treffen wir am letzen Tag einen Globetrotter, der seit fast zwei Jahren Nord- und Südamerika mit dem Motorrad bereist. Eine ideale Gelegenheit, Ideen für kommende Reisen in Amerika zu sammeln. Für den Heimweg benötigen wir fast zwei ganze Tage, da die 30stündige Reisezeit noch um die zehn Stunden der Zeitverschiebung gestreckt wird. Genug Zeit, um die phantastischen Erlebnisse der vergangenen Wochen Revue passieren zu lassen und dafür dankbar zu sein, dass wir nicht von einem der vielen Bären „gefressen" wurden.


ENDE!